Kleine Seelen

Einmal vor langer Zeit, da war eine kleine Seele, die sagte zum Herzen „Ich weiß, wer ich bin!“ und das Herz antwortete „Oh, das ist ja wunderbar! Wer bist du denn?“.
Lachend und voller Freude rief die kleine Seele „Ich bin das Licht!“ Und das Herz erstrahlte mit einem wunderschönen Lächeln. „Du hast absolut recht“. Da war die kleine Seele so unglaublich glücklich, denn sie hatte genau das entdeckt, was alle Seelen gerne heraus zu finden suchten.

„Oh“, sagte die kleine Seele, „das ist ja toll!“

Doch die kleine Seele hat mit dieser Erkenntnis noch nicht genug, es genügte ihr nicht mehr, zu wissen, wer sie war. Sie wurde immer unruhiger, ganz tief drinnen, und wollte nun noch mehr sein. Sie wollte das Sein was sie war.
Daher wandte sie sich wieder an das Herz. (Es ist übrigens nie eine schlechte Idee sich an sein Herz zu wenden, wenn man herausfinden wollte was man sein möchte, was man eigentlich schon ist). Die kleine Seele sagte „Hallo Herz! Nun ich weiß wer ich bin, aber ich würde gerne mehr sein, ich möchte dieses Licht auch wirklich sein“.

Und das Herz antwortete der kleinen Seele: „Du meinst, dass du sein willst, was du schon längst bist?“ „Also“, sprach die kleine Seele, „es ist schon ein Unterschied, ob ich nur weiß, wer ich bin, oder ob ich es auch wirklich bin. Ich möchte fühlen, wie es ist, das Licht zu sein!“

„Aber du bist doch schon das Licht“, wiederholte das Herz und es lächelte wieder. Doch die kleine Seele jammerte herum „Ja, aber ich möchte doch wissen, wie es sich anfühlt, das Licht zu sein“. Nun musste das Herz noch mehr Schmunzeln „Ja das hätte ich mir denken können, du als Seele bist immer schon sehr Abenteuerlustig gewesen, so sind alle Seelen. Aber es gibt da eine Sache“, sagte das Herz und sein Blick wurde ernst dabei. „Was denn?“ wollte die kleine Seele wissen.

"Nun, es gibt nichts außer Licht. Weißt du, das Licht ist zwar etwas Besonderes, jedoch eine Seele, was du bist, ist auch etwas Besonderes. Und deshalb wird es nicht so einfach für dich, zu werden, wer du bist. Denn es gibt nichts, was nicht so ist wie du.“

„Häää, wie?“, fragte die kleine Seele den sie war ziemlich verwirrt. „Stell es dir so vor“, begann das Herz, „du bist wie der Schein einer Kerze in der Sonne. Und genau so soll es auch sein. Und neben dir gibt es noch viele Millionen Kerzen, gemeinsam seid ihr die Sonne. Doch die Sonne wäre nicht die   Sonne, wenn du fehlen würdest. Schon mit einer Kerze weniger wäre die Sonne nicht mehr die Sonne, denn sie könnte nicht mehr ganz so hell   strahlen. Die große Frage ist also: Wie kannst du herausfinden, dass du Licht bist, wenn du überall von Licht umgeben bist?“

Da sagte die kleine Seele ganz frech. „Du bist doch das Herz! Du gibst doch allem die Kraft, überlege dir halt etwas!“ „Gut du hast irgendwie recht“, sagte das Herz und lächelte wieder. „Du hast recht“, sagte das Herz und lächelte wieder. „Und mir ist auch schon etwas eingefallen: Da du Licht bist und dich nicht erkennen kannst, wenn du nur von Licht umgeben bist, werden wir dich einfach in Dunkelheit einhüllen.“

Voller Vorfreude aber auch ein wenig verwirrt fragte die kleine Seele „Was ist denn Dunkelheit?“, fragte die kleine Seele neugierig. Das Herz antwortete: „Dunkelheit ist das, was du nicht bist.“

„Werde ich Angst davor haben müssen?“, wollte die kleine Seele wissen. „Nur, wenn du Angst haben willst“, meinte das Herz. „Es gibt überhaupt nichts, wovor du dich fürchten müsstest, es sei denn, du willst dich fürchten. Weißt du, die ganze Angst denken wir uns nur selbst aus.“

„Ohhhh“, die kleine Seele nickte voller Verständnis, wusste zwar noch immer nicht genau ob sie Angst haben sollte oder nicht, doch sie fühlte sich besser. Dann erklärte ihr das Herz, das oft erst das Gegenteil von dem passieren müsse, was man erfahren wolle. „Das ist ein sehr großes Geschenk“, sagte das Herz, „denn ohne das Gegenteil könntest du nie erfahren, wie etwas wirklich ist."

Du würdest Wärme nicht ohne Kälte erkennen, Oben nicht ohne Unten, Schnell nicht ohne Langsam. Du könntest Rechts nicht ohne Links erkennen, Hier nicht ohne Dort, und jetzt nicht ohne Später. Und wenn du von Dunkelheit umgeben bist“, sprach das Herz, „dann balle nicht die Faust und erhebe nicht die Stimme, um die Dunkelheit zu verwünschen. Sondern sei Stark und beginne von ihnen heraus zu leuchten.“

Ich glaube für alle die diese kleine Geschichte lesen werden jeder für sich ein wenig was anderes herauslesen. Das ist auch der Gedanke dabei. Um stark zu sein brauchen wir nicht nur unser Herz, nein auch unsere Seele. Und beide zusammen geben uns den Mut und die Kraft auch an dunklen Tagen das Licht zu sehen.

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