Fragen über Fragen

Wir waren alle mal Kinder. Kinder können über so manches staunen, dass wir als Erwachsene nicht verlernt haben, das uns nicht mehr berührt. Weil wir eben bereits vieles kennen und deshalb nicht mehr näher betrachten oder hinterfragen. Und damit verlieren wir oft den Blick auf das schöne und Wunderbare, das uns täglich umgibt.

Der Sohn war damals 15 Jahre alt und fuhr mit seinem Vater mit dem Zug Richtung Neusiedl am See. Mit großen Augen schaute er damals aus dem Fenster und fragte seinen Vater.

„Papa, ist das eine Kuh?“
„Ja, Felix da sind einige Kühe.“
Dann kam Aufgeregt eine weitere Frage: „Papa, diese Blume ist eine Sonnenblume, oder?“
„Ja, Felix, das ist eine Sonnenblume, daraus wird später das Öl gemacht für die Schnitzel und solche Sachen.«
Viele weitere Fragen folgen: „Papa, ist das ein Lastwagen? … eine Tanne? … ein Hubschrauber? … ein hoher Berg …?“ Der Vater fühlte sich ein wenig wie ein wandelndes Lexikon. Die Sitznachbarn schmunzelten, denn selten sahen sie wohl ein Kind das so viele Fragen stellte. Von anderen kahmen auch verwunderte Blicke.
Zwischendurch zeigt der Vater in eine Richtung und sagt: „Schau, Felix, der Vogel ist ein Bussard, dieser Baum ist eine Eiche und dort ist ein Rapsfeld …“

Ein Fahrgast, der den beiden gegenübersitzt, spricht den Vater nach einer Weile an.

„Bei allem Respekt, das Verhalten Ihres Sohnes ist doch sehr merkwürdig.“ Gespreizt weist er ihn darauf hin, dass es heutzutage doch sehr gute Kliniken für Fälle „wie diesen“ gäbe und die Medizin in alle Richtungen große Fortschritte mache.

Der Vater unterbricht ihn:

„Wie recht Sie doch haben!“, ruft er und fährt freundlich fort: „Von solch einer Fachklinik kommen wir gerade. Mein Sohn hat vor zwölf Jahren sein Augenlicht verloren und kann seit wenigen Tagen wiedersehen.“

Sichtlich beschämt senkt der Mann den Blick. Nach einer Weile wendet er sich dem Jungen zu:

„Junger Mann, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.“ Und nach einer Pause sagt er noch: „Und ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Sie haben mir eben aufgezeigt, dass ich vieles Wertvolle im Leben gar nicht mehr wahrnehme, weil ich es für selbstverständlich gehalten habe.“

Vielleicht sollten wir alle das eine oder andere Hinterfragen bevor wir uns ein Urteil bilden. Fragen kostet nichts.

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