Wien Meidling U4
Station, wieder mal hatte die U-Bahn Verspätung, war ja nichts neues. Heute
musste er nach Heiligenstadt. Endlich kam die Bahn. Er stieg ein und suchte sich
einen Sitzplatz, Glück war es war schon nach 9 Uhr, um diese Uhrzeit waren
nicht mehr so viele Leute unterwegs.
Er suchte sich
einen Sitzplatz am Fenster und hielt inne: Was für ein Traum von einer Frau!
Sie saß allein, blickte ernst, wenngleich nicht unfreundlich oder gar abweisend
ins Leere. Ihre Gesichtszüge waren markant, streng, wie aus der griechischen
Antike entlehnt. Die schwarzen schulterlangen Haare umrahmten es, glänzten und
gaben ihr, ebenso wie das dunkelblaue Kostüm, etwas Würdevolles. Er
nahm ihr gegenüber Platz, nun roch er auch ihr Parfüm. Leicht herb. Frisch.
Anregend. Er gab sich Mühe, seine Faszination nicht nach außen dringen zu
lassen, hielt er sie doch mindestens für die Chefsekretärin einer größeren
Firma, von den Kollegen ebenso umschwärmt wie von den Vorgesetzten.
Er versuchte
seinen Blick nicht direkt auf sie zu richten, unauffällig blickte er durch die Fenster,
das gute daran war im Tunnel waren sie wie ein Spiegel da viel es nicht gleich auf,
wenn er sie musterte. Ob sie ihn wohl bemerkt hatte, überlegte er. Nein, er
würde wohl nie bei einer Frau dieser Klasse landen können. Er tröstete sich
damit, dass sie von ihm nichts weiter wusste, nichts von seiner Seelischen Verfassung,
nichts von seinem Kontostand. Und damit, dass sie ihn ohnehin kaum wahrzunehmen
schien. Er der Tag für Tag durch Wien fuhr, um seinen Kunden bei diesem
und jenem Problem zu helfen, weil sie wieder etwas am Computer vermurkst
hatten. Er der Monat für Monat kämpfte, um genügend Aufträge rein zu bekommen.
Der seit einiger Zeit allein lebte und wenn er nach Hause kam was zu essen
machte und sich dann mit einem Buch auf die Couch zurückzog, um die Gedanken
woanders hin zu lenken. Erst vor kurzem hatte er sich einen lang gehegten Wunsch
erfühlt und sich, ja ein Mann, einen Steiff Teddybären gekauft. Wie sie das
wüsste würde sie ihn vermutlich auslachen.
Was er nicht
wusste, sie hatte ihn auch gesehen und behielt ihn unauffällig im Blick. Sie
ließ sich nichts anmerken und vermied jeden Blickkontakt, als er ihr gegenüber Platz
nahm. Schlank. Brillenträger, Locker modern angezogen, gut rasiert und ein gepflügtes
äußeres. So um die 40 bis 45 Jahre alt. Sie fragte sich, womit er wohl seinen Tag
verbrachte. Geschäftsführer oder Lehrer, ja, das könnte passen. Einer für die
ganz wichtigen Aufgaben. Vermutlich ein unnahbarer, strenger. Und dabei weicher
Kern. Ihr wurde warm bei der Vorstellung, dass ein Kerl wie er auch zärtlich
werden konnte.
Als der Zug anfuhr,
hatten ihre Schmerzen etwas nachgelassen, sie war erst bei der Station Schönbrunn
eingestiegen, sodass sie sich einigermaßen sicher sein konnte, nicht durch eine
verkrampfte Körperhaltung aufzufallen. Sie schlug die Beine übereinander,
merkte, wie sich auch ihre Gesichtszüge etwas entspannten. Sie schaute
wieder unauffällig den Mann gegenüber an.
Wer wohl die
Glückliche war, die sich in seinen Armen räkeln durfte? Bestimmt nicht
wie sie, so viel war klar. Sie, deren Arthrose schon zu ihrem Lebensinhalt
geworden war. Diese elenden Schmerzen, immer und überall. Schon morgens,
unmittelbar nach dem Aufstehen, musste sie gleich mehrere Pillen schlucken,
damit sie das Anziehen überhaupt aushielt. Auf Teilzeitarbeit war sie vor
Kurzem gegangen, immerhin, obwohl sie sich nur schwer vorstellen konnte, dass
sie es auch nur halbtags am Computer aushielt, fünfmal die Woche und das über
mehrere Jahre. Sie, die auch das Ausgehen mit ihren Freundinnen am Wochenende
gestrichen hatte, weil die Tabletten, die sie brauchte, um so einen Abend zu
überstehen, sie viel zu müde und teilnahmslos machten. Die ihre Wohnung, sah
man von der Arbeit ab, nur noch verließ, um einen Arzt oder eine Apotheke
aufzusuchen.
Nie im Leben hätte sie auch nur den Hauch einer Chance bei so einem Mann, Tröstlich erschien es ihr lediglich, dass er von ihrem Leben nichts weiter wusste, nichts von ihren Schmerzen, ihrem Elend. Und dass er sie ohnehin kaum wahrzunehmen schien.
Nie im Leben hätte sie auch nur den Hauch einer Chance bei so einem Mann, Tröstlich erschien es ihr lediglich, dass er von ihrem Leben nichts weiter wusste, nichts von ihren Schmerzen, ihrem Elend. Und dass er sie ohnehin kaum wahrzunehmen schien.
Sie stieg beim Karlsplatz aus, beim aussteigen versuchte sie die schmerzen zu unterdrücken, und warf nochmals einen Blick zurück zu dem Mann am Fenster, er hatte ihr nachgesehen sie hatte es gesehen, und ein lächeln umspielte ihre Lippen, Vielleicht würden sie sich bald einmal wieder sehen.
Die beiden waren
so darauf fixiert, dass der andere ihn nicht bemerken würde und auch gar kein Interesse
hatte das sie nicht merkten wie das Schicksal eine zarte Bande knüpfte. Vielleicht
würden sie sich bald wieder sehen in der U-Bahn und mit einem lächeln den
anderen begegnen. Es war doch egal wie der andere war, sie mussten nur den Mut
fassen den anderen an zu sprechen.
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