Der Blick eines Engels

Wieder wie jeden Tag ging es mal wieder mit der U-Bahn durch Wien. Es war früher morgen alle waren auf dem Weg zur Arbeit, Schule oder zum Einkaufen. Die Türen öffneten sich und eine Woge von hektischen Menschen schwappte in die U-Bahnstation, kein Wunder war ja die Station Landstraße. Mit dem Strom schwimmend gelang mir ein kurzer Blick auf das Handy. Schon wieder zu spät, das würde sehr knapp werden, derzeit war ja die U4 ein Problemfall, weil die Station Pilgramgasse gesperrt war dadurch war der Fahrplan nicht ganz Optimal. Doch es gab keine Möglichkeit die Geschwindigkeit zu beschleunigen, alles konnte nur immer im gleichen Takt und Tempo ausgeführt werden. Wie ein Roboter, fühlte ich mich, unterworfen und nicht fähig auszubrechen. Enge, Erdrückung, stickige Luft. Kaum Platz zum Atmen.

Ich musste rasch weiter in den Untergrund um zur U3 zu gelangen. Endlich angekommen am Bahnsteig stellte nicht nur ich fest, dass sich die U-Bahn schon verabschiedet hatte. ich musste warten, zwar nur einige Minuten aber immerhin. Ich, und viele andere die keine Gemeinsamkeit trugen, als den alltäglichen Weg zur Arbeit mussten nun einfach warten. Da stand ich, niedergeschlagen und frustriert, wie alle anderen, - ja – ich war nicht der Mensch der einfach auf seine Füße starrte und böse vor sich hinschaute, ich schaute mir gerne die Menschen und ihr Verhalten an, beobachtete gerne. Viele sahen einfach gleich aus, Uniform konnte man es nennen, jeder einzelne in der gleichen Verfassung Unbewusst und vielleicht auch ungewollt waren wir eingefügt in ein Dasein der bösen Gesichter. Einige starrten in ihr Handy und taten so als wäre es lebenswichtig, vermutlich war es das nicht, vielmehr war es einfach nur der Versuch ja nicht den anderen in die Augen schauen zu müssen. Es konnte ja sein das man jemanden lächeln sah. Es war eigentlich traurig, wenn man dies so beobachtete die Leute versteckten sich in ihrer Virtuellen Welt und glaubten dadurch allem entgehen zu können.

Plötzlich ohne Vorwarnung spürte ich etwas wohlig Warmes in meiner Brust. Es war wie Musik, die sich in alle Regionen meines Körpers ausbreitete. Ich sah auf um herauszufinden wo die Quelle dieser Empfindungen lag und entdeckte zwischen all den grauen Gestalten ein Mädchen. Ihr dunkles Haar wogte die Schultern herab und der weiße Strickmantel berührte fast den Fußboden. Sie stand da, wie der Fels in der Brandung.

Eine Aura der Stärke und Entschlossenheit umgab sie und sie strahlte etwas aus, das wir alle nicht mehr zu besitzen schienen: Gefühl.

Noch während ich sie mit verblüfften Augen betrachtete, wandte sie sich zu mir um. Auch ihr Blick gab ein Erstaunen preis, nach dem sie mich genauer betrachtet hatte. Ihren Kopf ein wenig schräg gehalten, schien sie etwas in mir zu suchen und dann ganz plötzlich, ohne Vorwarnung, entspannten sich ihre weichen Züge. Sie schlug die Augen zu und als sich ihre Lieder wieder öffneten, formte sich ihr Gesicht zu einem ehrlichen Lächeln.

In diesem Augenblick fuhr der Zug in die Station ein. Seine Bremsen quietschten und Wind wehte uns entgegen. Die graue Masse flutete in die Abteile und riss mich mit. In letzter Sekunde konnte ich noch aus dem Fenster schauen. Unsere Augen trafen sich ein letztes Mal und so hatte ich die Möglichkeit nur für diesen Augenblick ihr Lächeln zu erwidern.
Dann tauchte die U-Bahn in den Schacht und ließ mich zurück gleiten in die alltägliche Welt voll Arbeit und Unzufriedenheit. Nur eines blieb zurück: Ihr Gesicht, das sich in meinem Herzen verankert hatte.

Noch lange Zeit dachte ich an diesen Moment. Sie hatte mir etwas geschenkt, das ich schon verloren gegangen glaubte. Ihre vorbehaltslose Art Gefühle zu zeigen war wie eine Erfrischung in der atemlosen Einöde des stumpfen Alltags. Und ohne Zweifel kann ich sagen, ich habe einen Engel gesehen. Sie hat meine Seele berührt und mir für einen Augenblick sehr viel gegeben. Ich werde auch weiterhin mit offenen Augen durch die Stadt gehen, vielleicht sehe ich wieder irgendwo einen Engel.

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