Sich selbst finden

Hinter den massiven Bergketten der Alpen erhoben sich langsam und anmutend, die rötlichen Strahlen der aufgehenden Morgensonne. Majestätisch präsentierte sich ihm die in Hochnebel eingebettete Gebirgskette im heller werdenden Licht des noch so jungen Tages.

Das war Österreich, das waren die Alpen und das war sein Berg. Das war der Großglockner, und er hatte es geschafft. Auf 3798 Metern saß Wolfgang und verlor sich mit seinem Blick in der so unwirklich anmutenden Schönheit dieses einzigartigen Naturwunders.

Als er dasaß, auf dem höchsten Berg der Österreichischen Gebirgswelt, fernab der Modernen Welt die unten im Tal erst wieder richtig Einzug hielt, die aber doch so weit entfernt schien, und viele Kilometern von zu Hause entfernt, lachte er laut auf. Er schmunzelte als er daran dachte, wo ihn der Weg seines verrückten Lebens diesmal wieder hingeführt hat.

In anderen Momenten, auf dem Weg zum Gipfel, wollte er aber auch schon am liebsten hinschmeißen, zweifelte an seinen Fähigkeiten und überlegte aufzugeben und nicht weiterzugehen. Manchmal war der Gegenwind so stark, dass er nicht dagegen ankam und wieder an Höhe verlor. Er hatte bewusst nicht die üblichen Wege genommen, die alle nehmen, er hätte auch einfach die Bergstraße hochfahren können. Nur das wollte er in keinem Fall machen, denn er wollte sich selbst beweisen das es auch anders ging.

"Du schaffst das nicht, du bist zu schwach, minderwertig und ängstlich",

sendete der verfluchte Radiosender in seinem Gehirn, von ihm auch Radio „Du kannst mich mal“ genannt, mit regelrechtem Eilmeldungscharakter, die Hiobsbotschaften raus an seine Antennen. Das ließ ihn schon oft an seinen Stärken und Fähigkeiten zweifeln. Doch im Laufe der Jahre verstand er es immer besser die Empfänger zu justieren, sodass er relevante und weniger nützliche Informationen, schneller und besser unterscheiden und filtern lernte. Er hinterfragte jetzt die Aussagen des kleinen Mannes in seinem Ohr, der einfach nicht still sein wollte.

Vielleicht leben viele Menschen dreiviertel ihres Lebens oder mehr,  in der Annahme, jemand zu sein, der sie eigentlich gar nicht sind,  nur weil sie einer Gehirnwäsche unterzogen wurden - von ‘nem kleinen Mann mit ‘nem Fm- Sender der immer sendet, 24 Stunden, sieben Tage  die Woche. Der Kerl brauchte nicht mal Werbepausen er quasselte einfach die ganze Zeit.

Der Unterschied ist nur, dass einigen, denen die vielen Falschmeldungen aufgefallen sind, einen Weg gefunden haben, die Lautstärke bei Bedarf zu reduzieren. Denn ihnen wurde bewusst, dass sie Jahrzehnte mit Totgrübeln verschwendet hatten und alles für die Katz war, weil keines der zahllosen Eventualitäten und was wäre wenn’s je eintraten. Er grinste über die Vielfalt seines Senders, als er seine Gedanken beobachte.

Selbst diese teilweise Unruhe stiftende und oft für Verwirrung sorgende Medium konnte ihn letztendlich nicht dauerhaft davon abhalten, weiterzugehen und ein erneutes Mal all seine Kräfte zu bündeln, um es nochmal zu versuchen.

Der Blick auf die vollendete pure Schönheit, der sich vor ihm auftuenden Gebirgskette, dem Ort an dem er sich gerade befand und all das, wodurch ihn der Weg dorthin führte, ließen ihn seinem Ziel, wenn nicht sogar dem Sinn seines Lebens unheimlich näher kommen ...

nämlich zu sich selbst zu finden!

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