Der erste Tag im Herbst

Es war ein kühler feuchter morgen, Regentropfen prasselten an die Fensterscheiben seiner Wohnung, als er gedankenverloren da saß und vor sich hin sinnierte. Auf dem Couchtisch stand eine Tasse frisch aufgebrühter Tee und daneben lag ein aufgeschlagenes Buch. Er hatte es aus dem Regal genommen, ohne auf den Titel zu achten. Er wollte es noch nicht einmal lesen, fühlte sich jedoch weniger unproduktiv oder gar verrückt, wenn er sich selbst immer wieder sagen konnte, da er es gleichtun würde, während er mit den Gedanken überall und nirgends war. Er tendierte dazu, in Gedanken abzudriften, in Welten die nur ihm gehörten und in denen er alles sein konnte, was er wollte. Einmal mehr versank er in den eigenen Kopf, ein Gefühl der Vertrautheit und Wärme umfing ihn und ließ ihn träumend auf der Couch zurück. Wo waren nur diese schönen wunderbaren Abende geblieben.

Gestern hatte er noch einen Spaziergang durch die Stadt gemacht und bereits gespürt, der der Sommer bald vorbei sein würde. Es war kühler geworden, ohne Jacke hatte er den Duft des herannahenden Regens in der Luft wahrgenommen. Er war dann langsam heimgegangen und hatte die wärmende Lederjacke aus dem Schrank geholt, die er in der Garderobe im Flur hingehangen hatte für den nächsten Tag. Es war eine seiner Lieblingsjacken, er hatte sie gekauft, weil sie einen Modernen Schnitt hatte und ein wenig das Ausdrückte was er immer für sich gespürt hatte. Die Lebensfreude, die Freude darüber das er machen konnte was er gerne wollte. Wenn er diese Jacke anzog wurde er ein wenig anders, glücklicher und fröhlicher.

Er mochte den Herbst. Er liebte den frühmorgendlichen, eiskalten Hauch, der in sein Schlafzimmer strömte, wenn er das Fenster kurz nach dem Aufstehen öffnete. Es jagte ihm immer eine Gänsehaut über den ganzen Körper und es fröstelte, der Geruch des ersten Nachtfrostes, der sich mit dem des gefallen Laubes und dem des Regens vom Vortag mischte, hatte seinen eigenen Reiz.

Er saß immer noch auf der Couch und konnte so auch die letzten Gedanken des Tages loslassen. Es war wie eine last die langsam von ihm glitt.

Hatte die junge Frau im Bus vorhin im zugelächelt? Bestimmt, ihm huschte ein Lächeln über das Gesicht. Es war immer schön, wenn jemand an einem Interesse zeigte, dachte er sich und legte inzwischen das zusammengeklappte Buch auf den kleinen Couchtisch zu seiner Linken. Jetzt war er alleine. Das wollte er so. Er brauchte manchmal den Abend für sich um wieder zur Ruhe zu kommen. Den ganzen Tag immer bei den Kunden, wo er dieses und jenes Computerproblem lösen musste, war keine leichte Aufgabe und am Ende des Tages war dann dieses Gefühl von ausgelaugt sein. Es war anstrengend, das glaubten die meisten gar nicht, immer voll konzentriert zu sein und jedes Problem das auftreten konnte im Voraus zu erahnen.

Der Regen war stärker geworden. An seinem Wohnzimmerfenster brandeten nun riesige Wassermassen und aus dem leichten Prasseln von vorhin ging ein nunmehr konstantes Plätschern hervor, das sich mit dem Konstanten Atmen seiner selbst vermischte.


Es geht mir so gut, dachte er sich und schloss die Hände, die er unter der Decke vergraben hatte, der dampfende Tee stand noch da und verströmte seinen Duft. Ein wohliger Schauer rann über seinen Rücken und die Wärme flutete seinen Körper, als er seine Augen schloss.

Nach und nach tauchten nun die Bilder vor seinen Augen auf:

Er lief auf einem regennassen Weg durch einen wunderschönen, aus gelb und rot belaubten Bäumen bestehenden Wald. Ein feiner Windhauch strich ihm über die Wangen und lies seine Jacke sich leicht bewegen. Er lief ruhig und bedächtig, lauschte dem Wind und den zwitschernden Vögeln, als er von der rechten Seite im dichten Unterholz ein Eichhörnchen über den Weg laufen sah. Es hielt kurz inne und sah ihm direkt in die Augen, bevor es sich langsam abwandte und seinen Weg fortsetzte.

Er, der kurz stehen geblieben war, tat es ihm nun gleich und wanderte weiter über den Weg, der sich dahinzog und in dem einen oder anderen Weg verzweigte, er wanderte durch das Traumland und folgte seinen Gedanken immer weiter und tiefer durch den kleinen Wald.

Als er aus seinem Traum wiedererwachte, war der Regen schon am Abklingen, der Tee in der Tasse war längst kalt. Er stand auf und machte sich schlurfend auf dem Weg ins Schlafzimmer, wo er unter die Decke schlüpfte und sofort einschlief.

Es war der erste Tag im Herbst.


Kommentare