Vielleicht fragen sich nun einige gerade: An den Tod denken –
warum? Es ist vor langer Zeit, es war wohl das einschneidenste Erlebnis in
meinem Leben, vor 21 Jahren wurde meine Tochter geboren, die kleine Natascha,
sie durfte nicht lange Leben. Plötzlicher Kindstod, ich habe noch versucht bis
zum eintreffen der Rettung mit Wiederbelebung sie zurück zu holen. Heute stehe
ich, kurz vor ihrem Geburtstag, vor dem Familiengrab wo sie mit meinem geliebten
Großvater und einigen anderen Familienmitgliedern schläft. Die Gedanken kreisen
wie wäre es gewesen sie aufwachsen zu sehen, was hätte ich alles erleben können?
Nun ja es ist passiert und lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Im Herzen
wird sie immer einen Platz haben. Dann denke ich noch über mein Leben nach, unsere
ewige Hetze und unser Gedanken-Karussell, über das auf und ab im Leben, doch
wenn wir uns bewusst machen, dass unser Leben endlich ist, dann sehen wir
vielleicht das Leben und den Tod aus einem anderen Blickwinkel. Diese Gewissheit für einen Moment zu spüren,
kann uns in einen magischen Schwebe-Zustand versetzen. Und uns eine Klarheit
geben, die uns vielleicht aufrüttelt: Es ist mein Leben – es währt nicht ewig –
lebe es so, wie du leben willst …
Stellen wir uns doch einmal vor, wir würden einem
Außerirdischen erklären, wie unser Leben funktioniert. Wir würden ihm also
sagen, dass es ganz wichtig ist, einen Beruf zu ergreifen, Geld zu verdienen
und Dinge zu kaufen. Zeit, so würden wir erklären, haben wir Menschen
eigentlich nie. Denn wir haben immer schrecklich viel zu tun: Die Kinder sollen
was Ordentliches lernen, der Bausparvertrag muss abgeschlossen werden und jetzt
bloß noch schnell ins Fitness-Studio. „Und wozu das Ganze?”, würde der
Außerirdische dann vielleicht fragen. „Winkt Euch Menschen ein besonderer
Gewinn, wenn Ihr all den Stress erfolgreich bestanden habt und Euer Leben am
erfolgreichsten vollgestopft habt, mit Karriere, Terminen und Burnout?” „Nein,
eigentlich nicht”, müssten wir dann wohl antworten. „Am Ende, da sterben wir.
Alle. Die Reichen genauso wie die Armen und die Erfolgreichen genauso wie die,
die einfach in den Tag hinein gelebt haben …” Er würde wohl vermutlich
verständnislos seinen Kopf schütteln, der Außerirdische …
Ein kleiner Auszug aus dem wunderschönen Kinderbuch „Die
Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren handelt vom Tod und dem Leben danach:
„Weißt du, dass ich bald sterben muss?”, fragte ich und weinte. Jonathan dachte
eine Weile nach. Er antwortete mir wohl nicht gern, doch schließlich sagte er:
„Ja, das weiß ich.” Da weinte ich noch mehr. „Wie kann es nur so etwas
Schreckliches geben?”, fragte ich. „Wie kann es nur so etwas Schreckliches geben,
dass manche sterben müssen, wenn sie noch nicht mal zehn Jahre alt sind?”
„Weißt du, Krümel, ich glaube nicht, dass es so schrecklich ist”, sagte
Jonathan. „Ich glaube, es wird herrlich für dich.” „Herrlich?”, sagte ich. „Tot
in der Erde liegen, das soll herrlich sein?!” „Aber geh”, sagte Jonathan. „Was
da liegt, das ist doch nur so etwas wie eine Schale von dir. Du selbst fliegst
ganz woanders hin.” „Wohin denn?”, fragte ich, denn ich konnte ihm nicht recht
glauben. „Nach Nangijala”, antwortete er. Nach Nangijala – das sagte er so
einfach, als wüsste das jeder Mensch. Aber ich hatte noch nie etwas davon
gehört. „Nach Nangijala”, sagte ich, „wo liegt denn das?” Da sagte Jonathan,
das wisse er auch nicht so genau. Es liege irgendwo hinter den Sternen. Und er
fing an, von Nangijala zu erzählen, so dass man fast Lust bekam, auf der Stelle
hinzufliegen.
Ich glaube irgendwo da oben zwischen
den Sternen ist nicht nur meine kleine Tochter, sondern auch mein Großvater,
und ganz viele Menschen, die ich vermisse. Und sie sind dort glücklich und
jeder passt auf den anderen auf. Sie haben keinen Stress, sie müssen sich nicht
um das eine oder andere Sorgen. Sie leben einfach glücklich. Nicht so wie wir
im hier und jetzt, mit unserem Stress und allem was dazu gehört. Nein dort ist
es anders.
Denn es ist ja wahr: Wir rennen und hetzen durchs Leben, als
wüssten wir nicht, dass es endlich ist. Klar, jeden Tag nur daran zu denken,
dass es eines Tages vorbei sein wird und deshalb keinen Baum zu pflanzen und
kein Haus zu bauen – das kann es auch nicht sein. Aber sich bewusst zu machen,
dass Besitz und Macht nichts ist, was am Ende ein gelungenes Leben ausmacht,
das sind Gedanken, die unser Leben im Hier und Jetzt reicher machen können.
Intensiv zu leben, wirklich zu leben – was bedeutet das eigentlich? Welche
Erfahrungen möchte ich machen – auf welches gelebte Leben möchte ich einmal
zurückblicken? Welche Termine und Aufgaben kann ich mit mehr Gelassenheit
angehen – auch wenn sie im Augenblick so furchtbar wichtig erscheinen…?
Der Gedanke an den Tod nicht als etwas schreckliches zu
sehen – sondern als Quelle der Inspiration. Natürlich sollen wir etwas schaffen,
unsere Welt formen, und verändern, aber nicht durch Macht und Gier. Und auch
nicht in dem Preis dessen das wir andere darunter leiden lassen sollen.
Vielmehr sollten wir die Welt verändern indem wir darauf achten, dass wir diese
Welt zum besseren machen, für unsere Kinder und deren Kinder. Wenn wir das machen
dann schaffen wir etwas Beständiges. Etwas von wirklichem Wert, und etwas an
dem wir uns auch nach unserem Tod noch erfreuen können, den von Nangijala aus können
wir die Welt beobachten und schauen was sich verändert und wie das Leben weitergeht.
Der Tod ist nicht das Ende sondern vielleicht nur ein neuer Anfang irgendwo an
einem Ort wo es auch schön ist.
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