Nach einem langen, heißen, aber sehr einsamen Sommer kam die
Vernunft endlich noch einmal aus ihrer Wohnung. Sie setzte sich auf eine Bank
im Park, um die Sonnenstrahlen des frühen Herbstes zu genießen. Vorsichtig wie
die Vernunft eben ist, trug sie trotz des angenehm warmen Wetters und der wärmenden
Sonnenstrahlen schon einen leichten Schal und einen Pullover. Wie sie so da saß,
und in Gedanken sorgfältig ihre Zukunft plante, gesellte sich plötzlich die
Liebe dazu.
Unbedacht und unbeschwert, wie die Liebe nun mal ist, trug
sie immer noch ein kurzes, geblümtes Sommerkleid in leuchtenden Farben. Sie
streckte sich der Sonne entgegen und schien fröhlich und unbeschwert zu sein. „Bist
du nicht ein wenig leichtsinnig“ fragte die Vernunft. „Der Sommer war lang und
heiß, wir sind die kühlen Herbsttage noch nicht gewohnt. Hast du keine Angst zu
dich zu erkälten?“
Die Liebe lachte nur und sagte „voller Ungeduld habe ich
darauf gewartet, das die Tage ein wenig Kühler werden, und trotzdem möchte ich
noch nicht daran glauben das die schöne Zeit vorbei ist, es wird bald die Zeit
kommen wo es lange kalte Nächte geben wird, aber daran möchte ich noch lange nicht
denken. Ich lebe hier und jetzt und möchte keine einzige Sekunde der wärmenden
Sonne verpassen. Was schert mich der kommenden Winter, wenn ich nicht weiß, ob
ich ihn erlebe. Die Sonne bringt Wärme in mein Herz und ich werde ihr den Weg
durch dicke Kleidung nicht erschweren.“
„Hmmm“, sagte die Vernunft etwas neidisch auf so viel
Übermut. vielleicht sollte ich mich trauen, wenigstens den Schal auszuziehen.
Ich kann ihn ja festhalten und ihn jederzeit wieder anziehen. "
„Ach was“, sagte die
Liebe. „Warte, bis die nächste Brise kommt und lass ihn fliegen. Eis und Kälte
brauchen noch einige Zeit bis sie kommen, und dann kommt die Zeit die wieder
ein wenig anders ist und ihre eigenen schönen Momente hat, auch wenn es kalt
und Nass wird.“
Wieder bewunderte die Vernunft die unbeschwerte Liebe. Sie bleib
aber auf der sicheren Seite und faltete den Schal sorgfältig und legte ihn
zwischen die beiden.
Und wie sie so weiter plauderten und der Wind das leichte
Kleid der Liebe auf und ab fliegen ließ, wie ein Blatt im Wind, wurde es Abend
und eine leichte Kühle schlich sich ein. Die Vernunft und die Liebe hatten sich
so viel zu erzählen, dass sie die Zeit vergessen hatten.
Immer wieder bewunderte die Vernunft die Träumerei und
Fantasie der Liebe. Sie fühlte sich ein wenig wie ein Waisenkind, welches
vieles nicht durfte und kannte.
Doch als der Wind noch kühler wurde, und die letzten
Sonnenstrahlen hinter die Berge tauchten, begann die Liebe zu frieren.
Weil die Vernunft aber so glücklich war, der Liebe begegnet
zu sein, wollte sie das Zusammensein noch nicht beenden. Da erinnerte sich die
Vernunft wieder an den langen warmen Schal, der immer noch sorgfältig gefaltet
zwischen den beiden lag.
Die Vernunft breitete den Schal über die frierende Liebe,
hüllte sie ein, zog sie an sich und wärmte sie. Dankbar stellte die Liebe fest,
dass die Vernunft ihr eine gute Freundin wurde und sie von nun an des Öfteren
auf dieser Bank sitzen würden.
Die Vernunft erfreut sich bis heute gerne an der
Unbeschwertheit der Liebe, bis sie gebraucht wird um die Liebe vor dem
Erfrieren zu schützen............
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Vielen Dank für deinen Kommentar. Aus rechtlichen Gründen werde ich diesen überprüfen und behalte mir das recht vor auch einmal einen Kommentar zu löschen.