Wollen oder Müssen

Wenn es um das Thema Einsamkeit geht, könnte der Unterschied kaum schmerzlicher sein. Es gibt die eine Gruppe von Menschen die Aufgrund ihrer Lebensumstände zur Einsamkeit gezwungen sind, dies kann zu Verzweiflung führen. Es gibt noch die zweite Gruppe von Menschen, jene die eine gewählte Einsamkeit suchen, sie versuchen in vielen Fällen zu sich zu finden. Der Mensch ist viel zu oft einsam und viel zu selten alleine.

Wenn ich mit Menschen über ihre Situation spreche dann erfahre ich oft wie sie sich fühlen. Da gab es eine Kunde von mir, beide kannte ich schon sehr viele Jahre, sie waren über 40 Jahre verheiratet, dann ist ihr Ehemann verstorben. Sie erzählte mir wie schwer es für sie sei das ihr Mann nicht mehr da ist, diese Stille die sie mit einer solchen Wucht getroffen hat. Sie erzählte mir von der Zeit wo sie immer gemeinsam etwas unternahmen und viel plauderten, und danach wo er gegangen war wie schwer es für sie war nach so vielen Jahren nun alleine in der Wohnung zu sein, alleine zu essen, das einschlafen. Sie meinte dies sei für sie unerträglich. Sie beschrieb mir was sie danach getan hatte, sie hatte sich in der Volkshochschule für einen Turnkurs eingetragen, sie ging mehr mit Freundinnen ins Theater und noch vieles mehr. Eine Art Therapie für sie um sich von der Einsamkeit zu lösen. Sie hat von meiner Seite den größten Respekt verdient.

Vielleicht muss man so werden wie die zweite Gruppe von Menschen, die Art von Menschen die gezielt nach der Stille und dem Alleinsein suchen. Um wieder für sich die innere Balance zu finden. Diese Menschen ziehen sich für einige Tage oder Wochen komplett aus der Umwelt zurück, lassen alles hinter sich nur um sich auf sich selber zu konzentrieren. Sie schaffen es in dieser Zeit ein inneres Gleichgewicht zu finden, um danach wieder Kraft zu haben für alles was sie auf dem weiteren Weg erwartet. Es sind manchmal auch Menschen die keine Dauerhafte Beziehung suchen sondern nur zeitweise jemanden an sich heranlassen um ein wenig nähe zu spüren, sie würden aber auf dauer diese Nähe nicht durchhalten.

"Der unglückliche Mensch ist immer von sich selbst abwesend und niemals präsent", heißt es bei Soren Kierkegaard, dem dänischen Philosophen. Für manche ist es keine Option immer in Kommunikation, unter mit anderen zu sein, den es lenkt vom Wesentlichen ab. Besonders von dem was wirklich ist und uns gerade bewegt. Für Plaudertaschen und Partygänger ist Alleinsein keine Option, es passt nicht zum lauten Leben. Der Rückzug kann aber auch eine Kraftquelle sein, aber viele Menschen erkennen dies erst wenn es schon zu spät ist und die Kraft versiegt.

Die bewusste Suche nach Stille, das zurückziehen, beginnt sich aber bei immer mehr Menschen durchzusetzen. Den viele sind einfach überlastet, sie ziehen sich in Wellnessoasen oder andere Orte zurück wo sie wieder ein wenig Abstand finden von der Welt. Manche Menschen suchen diese selbst gewühlte Einsamkeit ganz bewusst in ihrer Lebensphase um vom Handy, dem Computer oder der allgemeine Trouble der Modernen Welt Stille zu finden. So können sie wieder Kraft für Entscheidungen bekommen und sich bereit machen für neue Wege. In einem Bruch von Anselm Grün heißt es "Das Schweigen führt uns zur ehrlichen Selbsterkenntnis, nackt und bloß. Wir können nicht mit Worten verbergen, was in uns ist. Wir müssen uns stellen". Es ergibt sich durch dieses bewusste suchen der Stille noch etwas positives, es ändert sich das Tempo im Leben und man achtet mehr auf den eigenen Rhythmus, so wird das tägliche Leben ein wenig ruhiger und nicht alles zerredet werden sondern man nimmt sich Zeit zum überlegen und überdenken.

Ich selber bin ja auch schon einige Zeit alleine. Wie ich damit umgehe werde ich oft gefragt. Ich gehe damit nicht wirklich um, Ich habe noch nicht den richtigen Weg für mich gefunden. Ich habe immer noch einiges zu verarbeiten, noch geht es mir darum das Tosen der Gedanken, die Ratschläge von Bekannten, die Verwirrung auf Abstand zu halten. Die erste Zeit ging ich viel fort abends um vielleicht Menschen kennen zu lernen. Es war auch eine Art Flucht „nur einfach nicht über alles Nachdenken“. Wirklich gebracht hat es mir nichts, die Gedanken kamen immer wieder. Vielleicht wird eine Radikaler Neuanfang der bessere Weg sein, gezielt mich wirklich von allem und allen zurück zu ziehen.  Vielleicht finde ich dadurch wieder eine innere Ordnung um mit mir und meinem Leben wieder ins Reine zu kommen. Es wird nicht ohne Schmerz gehen, aber es kann sein das es eine Art Reinigung ist. Das Alleinsein macht mir nichts aus, wenn es nicht für immer ist, die Einsamkeit macht mir viel aus weil es vielleicht auf Dauer ist.

Alleinsein kann viel bringen, es gibt dazu viele schöne und ruhige Orte, hier in Wien gibt es den Lainzer Tiergarten, den Wienerwald, die Donauinsel, und viele andere Parks. Es kann aber auch ein Spaziergang über den Friedhof sein. Und wenn man das alles nicht möchte und nur ein paar Minuten ruhe sucht, dann einfach mal ohne Handy und Zeitung das Stille Örtchen aufsuchen.

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