innere Mitte

Vieles können wir gerade noch weniger als sonst beeinflussen. Eines haben immer und überall in der Hand. Wie wir mit uns selbst umgehen. Egal, wo wir sind, wie alt wir sind, und in welcher Situation wir uns gerade befinden.

Vor kurzem habe ich einen Beitrag gelesen wo darüber geschrieben wurde wie wir in und nach der Krise miteinander umgehen.

Es ging darum, wie wir mit uns selbst umgehen, werden wir mit Anderen und jeder Situation umgehen. Das ist immer so. Bekommt jedoch im Augenblick noch größeres Gewicht.

Denn vieles können wir gerade noch weniger als sonst beeinflussen. Welche Entscheidungen die Regierung oder unser Arbeitgeber treffen, wie das Virus sich in Österreich und Europa sowie in der ganzen Welt verhalten wird oder wie unsere Familien und Freunde mit dem sozialen Rückzug klar kommen. 

Dieses nicht wissen und nicht beeinflussen können führt schnell in ein Gefühl der Hilflosigkeit oder des Ausgeliefertseins. Dies ist nicht nur nicht angenehm, sondern löst negativen Stress aus und der wiederum lässt uns Probleme noch größer und intensiver wahrnehmen. Manche von uns geraten durch eine Art Handlungsunfähigkeit in eine Art Angstzustand, weil man die Kontrolle verliert.

Eines haben wir immer und überall in der Hand. Wie wir mit uns selbst umgehen. Egal wo wir sind, wie alt wir sind, in welcher Situation wir uns befinden. Dafür müssen wir diese Option sehen und nutzen. Unsere (Denk)Gewohnheiten sind jedoch anders.   

Vieles, was wir tun, geschieht in der Erwartung, dass wir danach glücklicher oder zufriedener sind als vorher. Zum Beispiel:  Wenn ich mehr verdienen würde, ich weniger wiegen würde, ich kein Kopfweh mehr hätte, ich einen besseren Job hätte…, ja dann ginge es mir besser. Und der größte Irrtum den wir haben ist, wenn ich im Lotto gewinnen würde, dann ginge es mir besser. Glück, was von Bedingungen abhängt, wird nie nachhaltig erreicht. Weil die Skala der scheinbar noch zu erfüllenden Wünsche nach oben offen ist. Und genau das ist es, denn es ginge uns nicht besser. Es ist ein Wunsch nach etwas, aber unser Leben macht es nicht besser, den Leben heißt anders Glück zu finden. Was nützt es uns, wenn wir mehr verdienen? Aber wir dafür einen Teil unseres Sozialen Lebens aufgeben müssen, weil wir keine Zeit mehr haben. Was nützen uns Millionen die wir im Lotto gewonnen haben, wenn wir plötzlich anderes aus den Augen verlieren. Wenn wir unsere Freunde verlieren aus Angst sie könnten uns neidisch sein.

Und weil die Forschung und unsere eigene Erfahrung uns lehren, dass die Befriedigung nach dem Erreichen nur kurz anhält. Es wird davon ausgegangen, dass wir wenige Monte bis ein Jahr nach einem ersehnten Ereignis wieder so glücklich sind wie vorher. Dann starten wir in eine neue Runde von „wenn ich … dann wäre ich glücklicher als jetzt“. Dies ist der erste Irrtum. Der zweit ist dieser. Wir überschätzen, was Andere für unser Glück tun können
Denn genauso wenig wie uns Dinge und Situationen langfristig glücklicher machen können, können dies auch Menschen nicht.  Bestimmt kennst Du den Spruch „behandle andere so, wie Du behandelt werden möchtest“. Grundsätzlich ist dies ein sinnvoller Gedanke. Wenn es nur darum geht, andere gut zu behandeln. Schließlich wollen wir ja selbst auch gut behandelt werden. Das Fatale an diesem Vorhaben ist jedoch, dass wir unbewusst hoffen, dass das Viele und Gute, was wir für Andere tun, von diesen zu uns zurückkommt. Und dass wir es deshalb selbst nicht für uns zu tun brauchen. Wir bauen eine Art Erwartungshaltung auf, Du bist nett zu mir weil ich nett zu dir war, also gib mir das was ich möchte ohne Wenn und Aber.

Damit es kein Missverständnis gibt. Natürlich sind soziale Kontakte, unsere Freundschaften, Familien, Kollegen ein wichtiger Teil eines glücklichen Lebenskonzeptes. Sie geben, Halt, helfen gesund zu bleiben und Gutes zu tun bringt nachweislich Glück.

Aber es geht darum, dass wir andere tendenziell besser behandeln, als uns selbst. Wir schenken dem guten Umgang mit uns selbst zu wenig Beachtung. Wir verzichten auf Dinge, weil wir meinen, länger in der Arbeit bleiben zu müssen. Wir gehen, obwohl wir müde sind, Sonntags mit Freunden wandern, statt uns auszuruhen. Wir essen, was uns nicht schmeckt, um die Freunde zu deren Party wir eingeladen waren nicht vor den Kopf zu stoßen.

Unsere Mitmenschen nehmen - unbewusst - genau wahr, wie wir leben, wie wir mit uns umgehen und welche Haltung wir zu uns haben. Sie nehmen dies nicht nur wahr, sie reagieren darauf in der gleichen Art. Was auf keinen Fall stattfindet ist, dass uns andere Menschen besser, aufmerksamer, hilfreicher, liebevoller, wertschätzender behandeln als wir selbst. Können sie nicht, denn wir leben etwas Anderes vor.

Dass mancher gerade im Home Office oder ohne Arbeit auf sich allein gestellt ist heißt gleichzeitig, dass wir uns Zeit für uns nehmen können. Auch wenn es schwer fällt weil man den Job verloren hat, es geht irgendwo weiter, vielleicht schwieriger, vielleicht wird es Kräfteraubender werden. Aber solange man durch das Virus noch zu Hause bleiben sollte, kann man die Gelegenheit nutzen und ein wenig auf sich das Augenmerk lenken.

Man sollte aufstehen wie immer, zur selben Uhrzeit wie gewohnt. Der Körper hat einen Rhythmus und liebt diese Regelmäßigkeit. Viele kennen das vielleicht vom Montag. Wenn wir sonntags länger geschlafen haben fällt es uns schwer, uns umzustellen. Etwas gutes für sich tun. Vielleicht ein schönes Frühstück vorbereiten, die Lieblingsmelodie im Hintergrund laufen lassen. Einfach etwas tun, das schon am morgen guten Laune bringt. Ich liebe es mal lange zu duschen, also mache ich das auch mal. Danach einen zweiten guten Kaffee ohne Stress und ohne irgendjemanden Rechenschaft ablegen zu müssen.

Sich einfach überlegen, worauf man sich schon freut. Auf ein Telefonat mit einem lieben Menschen? Auf einen kleinen Spaziergang? Auf einen guten Tee? Es gibt so viele kleine Dinge, die wir selten bis gar nicht machen, die uns aber gut tun, deren Regelmäßigkeit jedoch dazu führt, dass wir sie nicht würdigen, sie sind selbstverständlich geworden. Dabei sind sie etwas Besonderes, wir müssen sie nur als solches auch wiedererkennen.

Bestimme Smartphone freie Zeiten. Wir werden überschüttet mit Informationen von denen wir nicht wissen, welche Qualität sie haben. Jeder weiß etwas anderes. Ja, lustige Bilder machen auch gerade die Runde. Doch das ständige checken von Nachrichten macht unruhig und nervös. Ich entscheide mich täglich für einige Stunden ohne Technik und das sind meine besten Stunden des Tages. Wenn ich die Sorge, etwas zu verpassen, erst einmal überwunden habe. Hol Dir Informationen, wenn Du Dir Sorgen machst.

Häufig sind unsere Gedanken schlimmer als die Realität je sein wird. Beim Radio gab es ein Interview mit einer Mutter von drei Kindern. Alle waren gesund und gemeinsam zu Hause. Die Mutter machte sich Gedanken darüber wie es wäre, wenn eines der Kinder krank wäre, ins Krankenhaus käme und sie es nicht besuchen dürfte. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall eintritt, ist minimal. Deshalb kostet es unnötig gute Energie, über negative Extremfälle zu spekulieren. Ja man macht sich Gedanken, und das ist auch gut so, denn auf die leichte Schulter sollte man es nicht nehmen. Aber die ganze Zeit über die Negativen Dinge zu denken, macht es nicht besser, nein man verliert sich in Angst und zieht sich noch weiter zurück und das ist falsch.

Gut mit sich umzugehen heißt besonders, auf die Farbe der eigenen Gedanken zu achten. Denn so, wie wir denken, so fühlen wir uns. 

Farben spielen eine große Rolle, gerade in diesen Zeiten. Ich habe mir einfach schöne Lila Vorhänge aufgehängt im Wohnzimmer und einige Bilder in der Wohnung ausgetauscht. Jetzt habe ich an jeder Ecke etwas schönes Buntes. Mancher mag nun meinen das ist doch verrückt, aber Farben können einfach viel bewirken. Wenn ich morgens merke, dass ich nicht so gut drauf bin, dann wähle ich meine Kleidung ganz besonders sorgfältig. Ich ziehe dann, auch wenn ich zu Hause bleibe eine Jeans an und dazu ein buntes Hemd, in einer Farbe wo andere sagen würden, das haut einem die Augen ein, um mich besser zu fühlen.

Seinem Tag Struktur geben ist wichtig. Das kann man bestimmen egal ob Home Office, normale Arbeit oder keine. Strukturen und Rituale geben Halt und das Gefühl, etwas in der Hand zu haben. Ich trinke zum Beispiel immer nach dem Mittagessen einen Kaffee. Ganz bewusst. Mit Achtsamkeit schnuppere ich, wenn es zu duften beginnt. Kleine, langsame Schlucke runden den Genuss ab. Dies würde nicht so gut gelingen, wenn ich dabei am Computer sitze. In dieser Zeit sitze ich einfach auf der Couch, lasse Musik laufen oder streame ein Hörbuch und höre dabei aufmerksam zu.

Kochen war und ist immer ein kleines Hobby von mir gewesen, und da bin ich relativ eigen, den ich koche gerne frisch. Ich nutze neben meinen kleinen Spaziergängen intensiv Youtube. Die Auswahl ist groß und ich habe wieder mal die Gelegenheit so richtig alte Lieder zu hören. Auch die eine oder andere gute Dokumentation findet sich, die ich mir auf den TV Streame und in aller ruhe ansehe.

Was ich auch mehr mache als früher, mit dem einen oder anderen Telefonieren, gerade jetzt wo so viele soziale Termine wegfallen, hier die Zeit nutzen und mal wieder richtig mit jemanden reden. Und was ich auch mache, den paar Menschen die mir wichtig sind jeden Tag eine Nachricht zu schreiben, sie ein wenig unterhalten, das eine oder andere doofe Selfie schicken. Ein wenig herumalbern, warum nur um mich und auch den anderen eine Freude zu bereiten. Das hatte ich lange nicht gemacht. Jetzt nutze ich die Möglichkeit. Andere Menschen sind ein großer Glücksfaktor. Das Gefühl, zusammen zu gehören oder gebraucht zu werden, Sinnvolles zu tun, gemeinsam zu lachen oder zu lernen, tut gut.

Einander innerlich nahe zu sein gelingt auch mit räumlichen Abstand. Einmal das alte Fotoalbum rausholen und ansehen. Vielleicht mal alte Nachrichten lesen. Vielleicht hat man ja jemanden für den man sein Herz geben möchte, wie wäre es dann einmal zu Stift und Papier zu greifen und einen Leibesbrief schreiben, so richtig schön Analog ohne Computer, einfach mal so. Oder Postkarten verschicken. Das alles gibt gute Gefühle und ist keine schwierige Sache es ist durchaus machbar.

Den Tag beschließen kann man mit guten Gedanken. Etwas tun, wobei man sich erholt. Wenn man den Tag über viel Online war, sollte man das abends ändern. Ein gutes Buch lesen, Musikhören oder einfach in die Wanne legen mit Schoko und das Gehirn ruhen lassen, es braucht zum eintönigen auch einmal Abwechslung. Wie gesagt ich höre in letzter Zeit Hörbücher.

Etwas ganz Wichtiges für mich gerade in dieser Zeit, ist etwas für meinen Blog zu schreiben. Es ist dann etwas ganz anderes, es bringt meine Gedanken auf einen anderen Weg. Ich sammle meine Gedanken und versuche dabei meine Worte die sich im Kopf bilden, meine Gefühle und alles was mich bewegt zusammen zu fassen. Es ist aber auch eine Art Entspannung geworden da ich dabei immer wieder innehalte und überlege. Es ist auch gleichzeitig zu etwas geworden das mir eine gewisse Routine in den Alltag bringt und das mir obwohl ich derzeit kaum Arbeit habe ein Gefühl gibt das ich etwas leiste.

Es gibt vieles, was normalerweise außerhalb unseres Einflusses liegt. Durch die aktuellen Beschränkungen ist dies anders. Wir können mehr innerhalb unseres Radius bestimmen - weil er kleiner ist. So können wir jetzt üben, ganz besonders gut mit uns umzugehen. Dann hat diese Zeit auch eine besonders gute Seite. Wir sind in einem guten körperlichen und mentalen Zustand, um mit allem, worin wir gefordert sind und sein werden, gut umzugehen. Es kann uns wieder dorthin zurück bringen wo wir eigentlich sein sollten, ein wenig mehr innerlich ausgeglichen und achtsamer auf uns selber. Aber empfindsamer für andere Menschen, wir können nun den Fokus wieder auf die Menschen richten die uns wichtig sind. Vielleicht hat es etwas Gutes, wider zu uns zu finden und unsere innere Mitte.

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