Zuhören

 
... und da saß er... eigentlich so wie jeden Tag mit der Dose vor sich stehend, nicht bettelnd, nein...  er saß einfach nur da, schaute ins Leere und bedankte sich stets höflich, wenn jemand ein paar Cent in die Dose warf. Sein Alter konnte man nur schwer schätzen... eigentlich habe auch ich nie richtig hingesehen... bis auf diesen Tag... 24.12..... am heiligen Abend!

Heute haben es wirklich alle sehr eilig, die Vorbereitungen fürs Fest sind im vollen Gange, hektisch werden noch die letzten Geschenke gekauft, alles muss perfekt sein und nichts darf vergessen werden. Der Baum wird mit Hilfe der Wasserwaage gerichtet und gleichmäßig mit glitzernden Kugeln bestückt. Emsig wird eingekauft, gekocht, gebacken.... und später geht es in die Kirche... das ist Tradition.

ER sitzt den ganzen Tag dort an der Laterne, er kauft keine Geschenke ein, kocht nicht gehaltvolle Speisen, er ist nicht in Eile, er hat weder einen Adventskranz, noch einen Weihnachtsbaum. Er hat ganz andere Dinge, dass wird mir klar, als ich fast an ihm vorbeilaufe und dann doch stehen bleibe. Ich gehe ein paar Schritte zurück und sehe ihn direkt an.

Er schenkt mir ein Lächeln, vielleicht eines der schönsten Geschenke an diesem stürmischen Weihnachtstag. Lachfalten umtanzen seine Augen. Er muss mal ein sehr fröhlicher Mensch gewesen sein.

Leise spricht er mit mir, flüstert fast. Die Ruhe springt auf mich über und ich vergesse kurz, was ich noch alles in der Stadt besorgen wollte. Er erzählt von seiner Einsamkeit, von seinem Absturz, als seine Frau plötzlich und unerwartet bei einem Unfall starb. Er verlor den Halt, den seine Frau ihm Tag täglich gegeben hatte, er verlor seine ganz ganz große Liebe. Er versank in seiner Trauer, war nicht mehr in der Lage zu Arbeiten, holte sich keine Hilfe, wurde auch von keinem gesehen. Er lebte über Monate von Alkohol, wurde von seinen Nachbarn belächelt, verschmäht, gemieden. Er erzählt mir, wieviel er gelacht hat...gemeinsam mit seiner Frau. Wie gerne sie gemeinsam kochten, abends in den Sternenhimmel sahen und er extra für sie etliche Bücher über Sternenkunde und Astronomie gelesen hatte. Er erzählt mir, dass er seinen Job verlor, weil er nicht mehr fähig war, normal zu leben... Atmen war das einzige was er noch konnte und er trank... er trank literweise Alkohol um den Schmerz auszuschalten... er war sehr sehr einsam und keiner seiner Mitmenschen interessierte sich wirklich dafür. Schließlich hatten sie ja auch ihre eigenen Probleme... keine Zeit sich umzuschauen. Nach dem Verlust seines Jobs konnte er seine Miete nicht mehr bezahlen, daraufhin kündigte ihm sein Vermieter. Er war einfach zu dem Zeitpunkt nicht in der Lage, zu irgendwelchen Ämtern zu gehen und überhaupt wollte er niemals zum Bittsteller werden. Er lebt nun seit 3 Jahren auf der Straße. Manche kennen ihn, wenige bleiben einfach mal stehen und reden mit ihm, so wie ich es gerade tue.

Er besitzt nur sehr wenige Dinge:

Einen Schlafsack, welchen er in der Stadt über seine Füße streift, wenn es Winter wird, ein paar wenige Kleidungsstücke, eine Wolldecke und ein kleines Andenken, welches er gerade aus seiner Tasche zieht, um es mir zu zeigen.

Es ist ein silbernes Medaillon mit einem Hochzeitsfoto von ihm und seiner verstorbenen Frau

ein Foto mit überglücklichen Gesichtern und liebevollen Blicken. Auf der anderen Seite des Medaillons klebt ein kleiner Stern, selbstgebastelt aus goldfarbenen Papier. Das ist mein ganzer Reichtum sagt er zu mir und drückt meine Hand. Mit Tränen in den Augen sagt er:

"Lebe jeden Tag so, als wäre es Dein letzter... eine winzige Sekunde kann ein ganzes Leben für immer verändern! Glück kannst Du nicht kaufen, aber Du kannst anderen Menschen Glück schenken, so wie mir gerade... manchmal reicht es schon aus, einfach nur zuzuhören und Du wirst merken, wie schön das Gefühl ist, einen anderen Menschen ganz ohne Geld glücklich gemacht zu haben. Ich wünsche Dir frohe Weihnachten und komm mich bald wieder besuchen!"

Ich finde kaum Worte, bin überwältigt von seiner Geschichte und von seiner Genügsamkeit. Leise wünsche auch ich ihm frohe Weihnachten, frage, ob er mitkommen möchte, doch er schüttelt den Kopf, bedankt sich gewohnt höflich und sagt:"Mein Leben ist jetzt hier auf der Straße und hier bleibe ich auch!"

Seit diesem Tag nehme ich mir die Zeit bei ihm stehen zu bleiben, bringe ihm einen "Tschibo-Kaffee" mit und schenke ihm damit ein wenig Wärme.

Was ich daraus gelernt habe?

Lebe Dein Leben

genieße jeden Augenblick

sei fröhlich und lache viel

aber vergiss nicht die Menschen um dich herum!


Diese Geschichte stammt nicht von mir ich habe sie im Internet gefunden, leider ohne Autor

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