Das Ticken der Zeit

Damals wie heute stehe ich einfach da und sehe hinaus, in eine Welt die sich immer mehr Verändert.

Die Zeit war noch nie mein Freund, aber du schon.

Ich vergesse dabei die Zeit.

Meine Gedanken wandern durch die Tage, Monate und Jahre. Kann ich mich noch an damals erinnern, an die Zeit des puren Staunens, an meine großen Augen als ich mit meinen Eltern durch die Stadt spazierte, ich der kleine Junge mit den dicken Brillengläsern. Ich blickte um mich, für mich war das alles ein wunderbarer Spielplatz, meine Hochhauswildnis. Ich wollte mich überall verstecken. 

Heute wenn ich durch die Stadt gehe betrachte ich es genauso bei meinen Spaziergängen. Ich würde mich gerne verstecken, wenn die Verantwortung ruft, und weglaufen, wenn die Realität versucht mich einzufangen. Das habe ich erst sehr spät gelernt, einfach abzuschalten und alles zu vergessen, hinter mir zu lassen. Auch wenn die Gedanken mich treiben, wenn ich darüber nachdenke was alles passiert und warum. Es lässt mich nicht los. Doch in diesen Stunden, wenn ich so vor mich hingehe, dann ist das eine Zeit die mir gehört, eine Zeit wo ich alles vergesse und wie der kleine Junge wieder alles um mich mit großen Augen sehe. Mein Herz ist zwar jung geblieben, aber mein Körper ist jetzt alt und wenn meine Beine mich noch tragen könnten, dann würde ich laufen, weit weg, in die Unendlichkeit der Fantasie. Genau das würde ich tun.

Die Zeit ist nicht stehen geblieben, auch die Stadt nicht, vieles hat sich verändert. Neues ist entstanden altes verschwunden, manchmal aber auch etwas altes neugestaltet und erhalten. Komme ich an eine Kreuzung, dann warte ich um über die schwarzen und weißen streifen am Boden die Straße zu überqueren. Manche Ampel gibt ein Geräusch von sich, dann höre ich im Hintergrund ein ticken. Dieses immerwährende Ticken. Ist es schon wieder Zeit? Wie schnell leben die Menschen, wenn ihre Zeit kommt wird das Ticken leiser! Aber ist es nicht doch egal, denn das Leben tickt anders. Nicht ich und auch nicht die anderen, es ist einfach der Pulsschlag des Lebens, kein Gleichklang, sondern ein Vibrieren des Lebens hervorgerufen durch das Ticken der Zeit. 

Als er noch nicht rebellierte, als mein Leib und meine Seele noch gleich alt waren, ja, damals fühlte ich mich frei. War kein Gefangener meiner Selbst. Ich versuchte alles zu erforschen, wollte alles entdecken. Die junge Neugier trieb mich an. Alle diese Ecken und Kanten wollte ich kennen. Habe erfahren, wie das Leben bei Nacht aufblüht, es mit rhythmischer Musik und Tanz füllt, nur um den Tag mit frischem Wind und dem Aroma eines würzigen Kaffees zu starten. Das hektische Passieren der Menschenmengen, der Straßenlärm, die fremden Gerüche, nichts ist mehr als all das in der Summe des Lebens. Ich war fasziniert von diesem Großstadt-Hin-und-Her, ich wollte mehr. Die ganze Welt wollte ich bereisen. Habe bunte Farben an Obstmärkten gesehen, herzhaft deftige Gerichte gekostet, mich der Gewaltigkeit des Meeres gestellt, und doch war es nur etwas Kleines, nichts Großes, ich hatte nie die Gelegenheit wirklich das zu leben was ich gerne wollte. Doch egal an welchem Ort mein Körper war und mich meine Träume trugen, mein Herz fehlte. Es war immer woanders nicht ganz bei mir. Die Stadt war und blieb mein Lieblingsort. Meine Heimat. Plötzlich gierte ich nach mehr nach einem Leben das anders hätte sein sollen als dieses das ich täglich lebe, nach frischem Wind, nach offenen Wiesen mit Millionen Blumen, nach der Wärme der Sonne. Das passiert mit uns Großstadtkindern. Wir lernen die kleinen Dinge umso mehr zu schätzen, weil wir von den großen Dingen tagtäglich umgeben sind.

Natürlich wurde ich Erwachsen und ging meinen Weg. Das leben hat mir gezeigt, wie man mit beiden Beinen am Boden steht, und ab da vergingen die Tage so schnell. Auf einmal war es nicht mehr ich, der den ersten Schritt machte, sondern ich war derjenige, der dabei zuschaute, wie andere ihn wagten. Ich konnte mich nicht mehr in meiner Hochhauswildnis verstecken, sondern ich suchte die Worte und erzählte davon, genau jetzt mit diesen Zeilen. Wie es gewesen ist. Als kleiner Junge durch die Straßen zu laufen und überall das treiben zu sehen, die Fenster der Auslagen, die Hohen Häuser mit ihren schönen Fassaden. Heute kann ich der Realität nur noch mit Worten entwischen, mit geschlossenen Augen dasitzen und mir die Welt so vorstellen wie ich sie erlebt habe als kleiner Junge.

Alles würde ich tun, um wieder zu sein wie früher. Aber meine Zeit, das Ticken des Lebens, ist vorangeschritten. Noch kann ich die Farben der Welt unterscheiden und die Grautöne erkennen. Die Farben der Sonne, und die Farben der Blätter der Bäume. Meine Ohren vernehmen noch das zwitschern der Vögel, und das Rauschen des Windes. Noch tragen mich meine Beine durch die Stadt und durch die Parks. Manchmal meinte es die Zeit gut mit mir manchmal auch nicht. Viel werde ich nicht Hinterlassen in dieser Welt, doch meine Gedanken, meine Träume die werden bleiben und vielleicht dazu beitragen das es eine bessere, schönere Welt wird. Darum erzähle ich davon.

Ich will wieder frei sein. Will wieder weglaufen können.

Heute stehe ich ebenfalls hier. Und die Zeit mit ihrem Ticken hinter mir doch es ist mir egal.

Nichts ist größer als die Sehnsucht nach allem und nichts.

Damals wie heute.


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